Léon und Louise- das sind die beiden Protagonisten einer Liebesgeschichte, die im Ersten Weltkrieg in der französischen Provinz beginnt und sich fast bis ans Ende des letzten Jahrhunderts fortsetzt. Es ist die Geschichte eines Paares, das nie zusammenkam, einander jedoch nie vergaß, auch, wenn manchmal eine Dekade zwischen zwei Briefen lag.
Léon, der als junger Mann zum Kriegsdienst in ein Provinznest geschickt wird, erscheint phlegmatisch und behebe, dabei aber auch mutig und moralisch, während Louise energisch und unkonventionell ihren Freiheitsdrang auslebt und dabei fluchen kann wie ein Seemann. Die beiden werden immer wieder getrennt- erst durch einen Bombenangriff, nach welchem sie einander für tot halten- dann durch Léons Familie, als sie sich nach Jahren in der Pariser Metro wiederbegegnen. Während des Zweiten Weltkriegs verschlägt es Louise gar nach Afrika, während Léon in Paris ausharrt und für seine Familie sorgt. Doch Zeit und Ort führen sie auch immer wieder zusammen.
Sprachlich überzeugt Capus voll und ganz, denn er schafft es Léons Phlegma, aber auch Louises Energie, sowie die Art verschiedener anderer Charaktere durch seine Beschreibungen zu transportieren. Der Autor arbeitet mit nur wenigen Dialogen, diese wenigen erstaunen dann aber ob ihrer Würze und der treffenden Wortwahl der Figuren. Durch die feinen sprachlichen Nuancen gelingt es Capus, die Schrecken der beiden Weltkriege, besonders die Zeit der Vichy-Regierung, herauszustellen. Dabei verzichtet er größtenteils auf derbe Ausdrücke und verbale Extrema, sodass der Leser erstaunt innehält und den innewohnenden Schrecken des beschriebenen Szenarios erst beim nochmaligen Lesen wahrnimmt.
Die Beschreibungen von Paris, aber auch der französischen Landschaft und des Meeres sind durchaus gelungen, man bekommt Lust, wie Léon selbst aufs Rad zu steigen und am Strand entlang zu fahren.
Außergewöhnlich gut gefällt außerdem, dass in der deutschen Übersetzung viele französische Originalnamen und Begriffe beibehalten werden, sodass der „Clochard“ nicht zum einfachen Stadtstreicher wird und somit eine wichtige Rolle spielen kann.
Die Erwähnung von französischen Romanen ist für den deutschen Leser vielleicht weniger aussagekräftig, dafür gibt sie „Léon und Louise“ dieses besondere Flair; man glaubt sofort, neben Léon in der metro zu sitzen oder mit Louise ein pain au chocolat zu kaufen.
Fazit: In erster Linie ist Capus´ „Léon und Louise“ eine romantische, aber bestimmt nicht kitschige Liebesgeschichte. Doch allein auf diesen Aspekt sollte man den Roman nicht reduzieren, da er die Stimmung und Verhältnisse in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts aus einer fiktiven persönlichen, und nur entfernt politischen Sicht beleuchtet und damit greifbar macht.
Alex Capus: „Léon und Louise“, Hanser 2011, 314 S., 19,90€