Nach einigen Jahren wieder zur Hand genommen, war „Der Besuch der alten Dame“ auch beim nochmaligen Lesen unterhaltsam und ließ – wohl entgegen der Intention Dürrenmatts – nach einer Übersättigung mit dem derzeitigen Dystopien-Geschäft in Film und Fernsehen, nicht einmal ein leises Unbehagen zurück.
Das kleine Dorf Güllen erwartet, von Arbeitslosigkeit und Armut gebeutelt, hoffnungsvoll die Ankunft der Öl-Milliardärin Claire Zachanassian (ein Wortspiel, die Namen Zacharoff, Onassis, Gulbenkian). Die alte Dame reist mit ihrem siebten Gatten an und verspricht dem Dorf ihrer Jugend tatsächlich eine Spende von einer Milliarde – sofern sich jemand bereit erkläre, ihren damaligen Jugendfreund, den bis dato „beliebtesten Einwohner“ und Bürgermeisteranwärter Ill zu töten. Dieser hatte sechzig Jahre zuvor seine Vaterschaft an ihrem gemeinsamen Kind abgestritten und die hochschwangere Frau mit Schimpf und Schande davon gejagt. Nachdem sie in einem Bordell von einem armenischen Oligarchen entdeckt worden war, ging es bergauf mit ihr, doch verwunden hat sie Ills Betrug nie und fordert nun „Gerechtigkeit“. Die Güllener zeigen sich zuerst empört von dem unmoralischen, gar abscheulichen Angebot und bekennen sich zu Ill, dem Kaufmann aus ihrer Mitte. Doch nach und nach erliegen sie der Versuchung des Geldes, tätigen größere Investitionen, immer in dem Glauben, dass einer von ihnen Ill töten wird. Dessen Furcht wächst.
Eine Tragikomödie mit heiter-traurigen Wortwechseln und nachvollziehbarer Moral, die sich in jedem Dorf abspielen könnte, daher kaum Namen, nur Amtsbezeichnungen. Ein guter Einstieg, wenn man mit dem Lesen von Theaterstücken bisher wenig anfangen konnte, da die Dialoge hier kaum abgehackt und gestelzt sind, sondern sich sehr flüssig lesen lassen. Dazu humorvolle und kluge Regieanweisungen, die den Leser zusätzlich unterhalten.
Friedrich Dürrenmatt, Der Besuch der alten Dame. Tragische Komödie, Diogenes 1998, 155 S., 7,90€.
Ich liebe liebe liebe es <3 Dieses Buch war meine Theaterprämiere in meinem kurzen, aber innig geliebten Schauspielerleben – ich sollte es erneut lesen…
Wie schön, dass es dir auch gefällt. Welche Rolle hast du denn gespielt? Meine „Debüt“ war der Vortrag der Ballade „Des Sängers Fluch“ von Ludwig Uhland 😉
Die alte Dame und ich hatte ein super Kostüm…nicht, im Laufe des Stücks hat es sich nach und nach aufgelöst 😀
Spielst du noch immer Theater?
Ah, eine der Hauptrollen also! Nein, ich spiele leider auch nicht mehr, war auch nur ein Intermezzo 🙂 Es gab damals an der Schule einen Literatur- und Theaterkurs, in dem dann letztendlich mehrere selbst geschriebene und inszenierte Stücke aufgeführt wurden. War sehr viel Arbeit, hat mir dafür aber wirklich viel Spaß gemacht.
Das klingt ja toll !!! Wurden die Stücke dann von den Schülern geschrieben? Gemeinsam oder wurde eines ausgewählt? Vermisst du es auch manchmal, das Spielen meine ich?
Es wurden mehrere Stücke von (ich glaube es waren vier) Schülergruppen geschrieben und dann an einem Abend aufgeführt. Meine Gruppe hat quasi einen Entwicklungsroman geschrieben und musste ihn dann irgendwie auf die Bühne bringen, was wirklich zeitaufwendig war. Dafür waren wir an dem Abend sehr stolz auf unser Ergebnis. Wir haben dann untereinander als Schauspieler bei den verschiedenen Stücken ausgeholfen und haben so vom Schreiben über das Inszenieren bis zum Schauspielern alles mitbekommen. Ich vermisse das Spielen schon manchmal, ich finde es sehr nett, in eine andere Rolle zu schlüpfen und auf der Bühne zu stehen, aber ich habe in der Hinsicht auch wirklich nur die Erfahrung meines Literaturkurses.