Dieses Jahr scheint im Zeichen koreanischer Autoren zu stehen: Nach Han Kangs „Die Vegetarierin“ und Yeonmi Parks „Meine Flucht aus Nordkorea“ war ich gespannt auf die Gedanken eines koreanischen Juristen zu Reformen des Strafrechts.
„Die Augen des Strafrechts – Denkanstöße für unser Rechtssystem“ von Jun-Hyung Park liefert tatsächlich einige Denkanstöße, die ich so noch in keiner anderen juristischen Schrift gefunden habe. Der Autor spricht sich grundsätzlich dafür aus, das Strafrecht zu vereinfachen; juristische und umgangssprachliche Begriffe sollten übereinstimmen, damit auch der Laie genau weiß, woran er ist. Der Gedanke ist natürlich Unterstützens wert, doch leider geht die Umsetzung mit einer (gar nicht so) latenten Wissenschaftsfeindlichkeit einher. In Bezug auf vermeintlich allzu komplizierte juristische Formulierungen zur Rechtswidrigkeit einer Tat schreibt er:
„Das liegt an dem sogenannten ‚wissenschaftlichen Vergnügen‘, weil die komplizierte Formulierung […] viel interessanter klingt als die einfache Aussage […].
Das ‚Vergnügen in der Wissenschaft‘ ist allgemein nicht falsch. Denn dadurch kann die Wissenschaft noch interessanter gestaltet und bereichert werden. Aber in der Rechtswissenschaft sollte man sich von dem wissenschaftlichen Spaß fernhalten.“
(S. 32 f.)
Außerdem bleibt bis zum Schluss unklar, auf welches Rechtssystem Park sich bezieht. Ist es das koreanische, in dem es den Straftatbestand des Raubes mit Vergewaltigung (S. 18 ff.) zu geben scheint? Wenn ja, warum besteht der Anhang dann aus einem hundert Seiten umfassenden Abdruck des deutschen Strafgesetzbuches? Auch gibt es hin und wieder einige sprachliche Ungenauigkeiten, was an der Übersetzung aus dem Koreanischen oder der fehlenden Vergleichbarkeit einiger Rechtsinstitute liegen könnte. Fußnoten fehlen völlig; Behauptungen wie
„Aber selbst das Gesetz aus der Bronzezeit war an der Resozialisierung von Straftätern nicht ganz desinteressiert.“ (S. 59)
werden nicht belegt. Der übermäßige Gebrauch von Absätzen hat das Lesen für mich erschwert, da Sinnzusammenhänge auf den ersten Blick nicht als solche zu erkennen waren.
Insgesamt hatte ich mir mehr von diesem Büchlein versprochen. Es wäre für den deutschen Leser großartig gewesen, wenn Park sich auf das koreanische Strafrecht bezogen hätte, um hier Parallelen und Unterschiede zum deutschen Recht feststellen zu können. In seiner jetzigen Form ohne klare Bezugspunkte verwirrt das Büchlein den Laien und Juristen gleichermaßen.
Jun-Hyung Park, Die Augen des Strafrechts – Denkanstöße für unser Rechtssystem“, Verrai Verlag 2016, 74 S., 12,90€, ISBN 978-3-9818041-7-1.
Auf ARD gab es eine Doku über das Leben in Nordkorea: ziemlich erschütternd:
http://www.ardmediathek.de/tv/Dokumentarfilme/Inside-Nordkorea/MDR-Fernsehen/Video?bcastId=17603862&documentId=46957634
Außerdem freue ich mich schon auf Han Kangs neuen Roman „Menschenwerk“. Anna Kims „Große Heimkehr“ kennst du?
Viele Grüße!
Habe mir die Doku angesehen; wirklich sehr sehenswert, da hat man das beste aus der ,,Dauerbetreuung“ gemacht.
Danke für den Link! Von Anna Kims „Große Heimkehr“ habe ich schon gehört; bisher habe ich es aber noch nicht gelesen. „Menschenwerk“ habe ich gerade beendet und fand es sehr eindringlich. Thematisch und auch vom Aufbau her hat es mir besser gefallen als „Die Vegetarierin“; nur darüber zu schreiben fällt mir noch schwer. Die Geschichte muss sich noch setzen. Ich kann es uneingeschränkt empfehlen; ein großartiges, wichtiges Buch.
Als nächstes steht bei mir „Das geraubte Leben des Waisen Jun Do“ an.
Viele Grüße!