Nana Kwame Adjei-Brenyah: Friday Black. Storys (2020)

Nana Kwame Adjei-Brenyah erzählt in zwölf völlig unterschiedlichen und fantasievollen Geschichten davon, was es bedeutet, im heutigen Amerika jung und schwarz zu sein.

Friday Black

Als „aufregend und ein Wunder“ wie das Buch mit den Worten von George Saunders beworben wird, empfand ich Friday Black nicht. Aber die Geschichten sind auf zwei Ebenen interessant. Zum einen erzählen sie meist unaufdringlich, teils völlig beiläufig vom Alltagsrassismus in den USA. Zum anderen bersten die Erzählungen vor Fantasie.

Central Park Five

Sehr gelungen sind jene Erzählungen, die mit nur wenigen oder gar ganz ohne fantastische Elemente auskommen. Extrem stark ist gleich die erste Geschichte „Die Finkelstein Five“: Ein Mann tötet völlig anlasslos fünf schwarze Kinder auf bestialische Weise. Mit dem Hinweis, dass er sich durch ihre Anwesenheit „bedroht“ gefühlt habe, wird er von der Jury freigesprochen. Das Szenario erinnert deutlich an US-amerikanischen Justizskandal um die „Central Park Five“.

Bei den „Finkelstein Five“ jedenfalls geht ein Aufschrei durch die schwarze Community. Einige schließen sich in kleineren Gruppen zusammen, um nun ihrerseits Rache für den Tod der Kinder an der weißen Bevölkerung zu üben. Der Protagonist nimmt die brutalen Aktionen zwar zur Kenntnis, beteiligt sich aber erst, als er den Alltagsrassismus nicht mehr aushält.

Konsumwahnsinn

Großartig ist auch die titelgebende Geschichte „Friday Black“. Aus der Sicht eines Verkäufers am Black Friday wird der ganze Wahnsinn dieses Konsum-Feiertages geschildert. Die Geschichte verschärft die schon aberwitzigen realen Zustände dadurch, dass die Kunden sich wie fremdgesteuerte Zombies benehmen, die das Sprechen fast verlernt haben und auch Tote in Kauf nehmen, um an die eine begehrte Winterjacke zu kommen.

Ein Rudel Kaufwilliger bleibt vor dem Laden stehen. Sie sehen die PoleFaceTM, die wir noch haben. Ich klettere aufs Dach meiner Kabine. Sie kommen reingestürmt. Ein paar Leute stürzen und stehen wieder auf. Ein paar stürzen und bleiben liegen. Sie schreien und fauchen und krallen und stöhnen. Ich schnappe mir meinen Greifer und beobachte, wie die blutverschmierten Menschen mit gefüllten Geldbeuteln und dem Friday Black in ihren Hirnen auf mich zugerannt kommen.

Friday Black, S. 138

Überbordende Fantasie

Die überbordende Fantasie empfand ich stellenweise zugleich als Manko. Einige Geschichten waren einfach zu abgedreht. „Durch den Blitz“ beispielsweise wirft den Blick in eine dystopische Zukunft nach einem Atomschlag. Die Menschen der Nachbarschaft sind in einer Zeitschleife gefangen, altern nicht und erleben denselben Zeitabschnitt immer wieder. Das nutzt die Teenager-Protagonistin dazu, als „Messerkönigin“ durch die Nachbarschaft zu ziehen und so viele Leute wie möglich zu foltern und zu töten – wenn sie nicht zuvor von ihrem Vater ermordet wird, dem ab und an das Küchenmesser ausrutscht. Natürlich ist die Geschichte vielschichtiger, Trauer und der Wunsch, ein guter Mensch zu sein, spielen ebenso eine Rolle. Die Brutalität der Szenen war nach anderen, deutlich harmloseren Geschichten jedoch ein Schocker.

In der Erzählung „Lark Street“ geht ein junges Paar nach einer Abtreibung zum örtlichen Wahrsager und wird dabei von zwei abgetriebenen Föten verfolgt. Auch, wenn sich die Geschichte nicht so geschmacklos liest, wie sie in einem Satz zusammengefasst klingt, kratzte sie schon an der Grenze zum Abstoßenden.

Starke Themen, unterschiedliche Qualität

Der 1990 geborene US-Autor Nana Kwame Adjei-Brenyah greift kontroverse Themen auf. Es geht um Gewalt, Rassismus, Konsumkritik, genetische Manipulation, Amoklauf, Abtreibung, berufliche Perspektivlosigkeit und gesellschaftliche Verrohung. Die Geschichten zeichnen sich immer durch eine klare Sprache und einen konsequent gespannten Spannungsbogen aus. Aber sie schwanken in ihrer Qualität deutlich. Das jeweilige Herangehen an ein Thema empfand ich teils als schlicht genial, teils als sehr ungünstig.

Fazit

Die Erzählungen in „Friday Black“ sind inhaltlich bunt gemischt, fantasievoll und zeugen sprachlich vom großen Können des Autors Nana Kwame Adjei-Brenyah. Sie behandeln kontroverse Themen, wobei die Herangehensweise garantiert nicht jedem zusagen wird. Bemerkenswert, aber keine unbedingte Empfehlung.


Nana Kwame Adjei-Brenyah, „Friday Black. Storys“, OT: Friday Black, 2018, aus dem Englischen von Thomas Gunkel, Penguin Verlag 2020, 232 S.

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5 Gedanken zu „Nana Kwame Adjei-Brenyah: Friday Black. Storys (2020)

  1. Hallo,
    das Buch liegt bei mir auch auf dem Stapel zu Lesen. Danke für deine Vorstellung, ich bin mal sehr gespannt auf das Lesen. Es wurde ja so gehypt, aber dich hat es nicht so überzeugt.

    Liebe Grüße
    Vera

    1. Hallo Vera,

      ich habe das Buch direkt nach dem Erscheinen in die Hände bekommen und hatte bis dato nur die Verlagsbeschreibung gelesen. In Amerika schien es ja wirklich durch die Decke gegangen zu sein. Ich bin gespannt, wie die deutschsprachige Community es in den nächsten Wochen bewertet. Lass mir gerne einen Link da, wenn du es besprichst.

      Viele Grüße
      Jana

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